Etwas wird passieren  |  Masoud Sadedin, 2016

Kritzeln, Zeichnen, Archaik, Kunst; Raffinesse, Ästhetik, Ausdruck, Form, Farbe, Papier, Buch, Linie, Fläche, Ideen, Gedanken, Gefühle, Gegensätze, Spiel, Humor, Nicht-Kunst, Null, an den Bildern scheitern, sich an Scheitern gewöhnen, Scheitern als Impuls, Bilder.

Ja Bilder, die unter der Hand bei der Arbeit entstehen. Intim persönlich, privat, spielerisch, ohne feste Position oder eine Philosophie. Ein Treiben und getrieben sein von der Idee; „Etwas wird passieren“, das mich überrascht, mir Freude macht, mich aus meiner alltäglichen Routine holt, mir das Gefühl gibt, etwas zu finden, zu erfinden, was der Sinnlosigkeit einen Sinn gibt. Mit der Linie mitgehen, gegen Haltlosigkeit etwas anbieten, gegebene Spuren weiter verfolgen oder neuen Spuren nachgehen, auflauern.

Im Gegenteil zur Malerei kann ich bei der Zeichnung ohne Voraussetzungen loslegen oder etwas Sinnfreies zulassen. Die Leinwand braucht in irgendeiner Weise eine Planung, ein Hin und Her, eine Auseinandersetzung, ein Ringen mit den Elementen. Dagegen ist die Zeichnung beiläufig, etwas aus dem Fluss der Intuition Hergeleitetes. Bilder, die sich unbegründet aus der Hand befreien. „Unbegründet“, ist das nicht herrlich?

Zeichnungen haben eine gewisse Frische, etwas Unerwartetes, Flüssiges, nicht Anspruchvolles, das meist auf den großen Bildern verloren geht. Blätter, die in den Zeichenheften jahrelang in Verborgenheit bleiben und doch etwas Freies, Absichtsloses und Unkontrolliertes in sich bergen; eine Arbeit, die meist unfertig und offen bleibt.

Manchmal beim Aufschlagen der Hefte, habe ich den Eindruck, dass eine fremde Hand den Stift führte. Beim Zeichnen gibt es zwischen bewussten und unbewussten Entscheidungen keine Grenze. Ich bin dann mit dem Geschehen auf dem Papier verwoben.

Die Art und Weise, wie ich mit einer Zeichnung anfange ist unterschiedlich. Mal einfach aus dem Kopf, mal mit einer Vorlage, einem Foto, mit den Bildern der früheren Künstler, oder ich bewege die Hand völlig frei von Vorstellungen aufs Papier. Ich bin dann „auf der Lauer“, wohin mich das Gekritzel führt. Ich versuche offen zu bleiben für das, was nun entsteht. Meist bin ich überrascht, dass diese Kritzeleien schon nach einer kurzen Zeit eine Seele bekommen, die mich anspricht und immer mehr ist als ich und immer weniger als ich.

Manchmal gehe ich auch programmatisch vor, gehe aus von Motiven der Kunstgeschichte, die ich mit Menschen unserer Zeit kombiniert habe. Es ist ein Versuch, dem Vergehen der Zeit eine Form zu geben. Es gelang letztlich nicht, aber die Zeichnungen haben von der Absicht profitiert; eine dichte Atmosphäre, in der die Stimmen sich beinahe treffen und doch aneinander vorbeirauschen. Hieronymus Bosch hat mich animiert, mich mal dem Wahn widmen, etwas Unsinniges- nicht dass er etwas Unsinniges gemacht hätte- das ich immer wieder suche, um es dann konzentriert und ernst zu betreiben.

Über die Jahre wandelt sich der Begriff Zeichnung für mich und da ich selten Ruhe und Zufriedenheit in der Arbeit finde, halte ich auch nicht an irgendeiner Richtung fest. Ich beschäftige mich zwar sehr intensiv mit einem Thema oder einer Idee aber wenn der Reiz und das Fiebern nachlassen, dann fange ich mit etwas Neuem an. Dabei achte ich nicht auf eine homogene und wieder erkennbare künstlerische Haltung. Herausforderung und Wagnis sind für mich viel wichtiger. Damit kann ich meine Grenzen, Fähigkeiten und potenzielle Möglichkeiten ausprobieren, mehr im geistigen Sinn als in dem technischer Machbarkeit. Eine Art Ankommen, einen festen über Jahrzehnte nachvollziehbaren Stil, der Künstlern gerne nachgesagt wird, passt nicht zu mir. Die graphische Arbeit, die mich schon seit meinem Studium begleitet, hat sich als eine hervorragende Ausrede erwiesen, „das nicht Ankommen“ zu begründen und legitimieren. Gleichzeitig muss ich gestehen, dass die Sehnsucht nach Ankommen, es zu erreichen, mich nie losgelassen hat. Ich denke, auf diese Weise bleibt das Ereignis unter der Hand und auf dem Papier lebendig.

Die Zeichnungen entstehen unabhängig von meiner Malerei und sind selten als Skizzen für die großen Bilder gedacht. Sie bilden ein paralleles Dasein neben meiner Malerei. Sie geben mir die Möglichkeit, zwanglos einem frei laufenden Fluss von den Bildern nachzuspüren und nachzugehen – Bildern, die auftauchen, erscheinen, und andere Bilder und Ideen hervorrufen. Bilder, die mich ständig daran erinnern, wie unsinnig und gleichzeitig wie sinnvoll die Kunst ist, wie zerbrechlich und widersprüchlich das Künstler-Dasein ist. Und wie Überzeugung und Skepsis nah beieinander liegen. In dieser parallelen Welt kann ich mir erlauben vielfältig, sogar beliebig hin und her zu wandern, die Kunst zu parodieren, dadaistisch gegen Dada zu sein.


 

Die Schwelle  | Dieter Ronte, 2014

Masoud Sadedin fordert den Betrachter. Er lässt mit den Augen, die auf seine Bilder schauen, zugleich denken. Der Betrachter muss mitdenken, er soll den Prozess des Malens erahnen und diesen für sich weiter führen. Jedes Bild ist eine Suche nach Orientierung, nach anderen Fragen, ist ein Ausbruch aus dem Gefängnis der Verabredungen, die unseren Alltag mehr und mehr bestimmen. Jedes Bild ist eine Verweigerung, keine Verantwortung zu übernehmen. Jedes Bild ist aktiv und agierend.

Wir leben in Zeiten, in denen Orientierungslosigkeit dominant ist. In der Wissensgesellschaft ist die unendliche Fülle von Informationen nicht mehr einzuordnen und damit kann sich der Wissende auch nicht mehr verantwortlich und selbst bestimmt verorten. Bei den Jahresausstellungen in den deutschen Akademien wird dieses Transitorische, diese Angst vor Nachhaltigkeit immer deutlicher. Der Rückzug der jungen Künstler zu sich selbst und bezogen auf kleinere formale Probleme zeigt diese übernächtige Flut auf. Es ist sehr, sehr schwierig geworden, eine eigene, belastbare Position des künstlerischen Agierens zu finden.

Sadedin hat im Iran nicht nur Kunst im westlichen Sinne an der damaligen, dortigen Kunstakademie in Theheran gelernt, also das Handwerk, um zu sich selbst finden, sondern auch Kunstgeschichte studiert, die ihm zugleich immer auch ein objektivierendes Gerüst beim Schaffen seiner Kunst ist. In Deutschland ist dieser künstlerische und wissenschaftliche Ausbildung ungewöhnlich, so als ob der Satz von   Johnann Wolfgang Goethe ( 1749 – 1832 ) „Bilde Künstler, rede nicht“ ( Gedichtsammlung Kunst, 1815 ) ein Gesetz wäre. Dabei waren die Künstler des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts im Rückgriff auf die Neuzeit stolz auf den gebildeten Künstler, den sogenannten „pictor doctus“. Für den Künstler bedeutet diese Doppelausbildung Sicherheit und Anreiz zugleich, zwei Komponenten, die sich in seiner gedankenreichen Kunst niederschlagen. Doch trotz dieses intellektuellen Konstrukts zeigen die Bilder eine hohe körperliche Präsenz, sind sie von einer starken malerischen Aura durchdrungen. Die Philosophie wird zur Malerei, die Malerei zur Philosophie über das Leben.

Diese malerische Aura und die Präsenz eines Bildes sind zugleich die Haupthemen und das besondere Agens des Künstlers; die malerische Auseinandersetzung mit der Malerei als Malerei. Insofern zeigen die Bilder eine präzise Begrifflichkeit in Form von Sinnlichkeit auf. Die Bilder wirken wie ein Manifest über die Räumlichkeit des Menschen. Diese Räume werden von Sadedin nur angedeutet, wie in der Zollstockserie mit ihrer geknickten und wie zufällig geformten Raumaktivierung, und sind trotzdem als wahr und fragil zugleich zu verstehen. Der Maler wird durch seine Utensilien, die Malfarbendosen, räumlich geortet und ist zugleich in seiner majestätischen Haltung und das Statuarische ein alles dominierendes Motiv, das allerdings wieder auf fragilem Boden steht. Sadedin fängt diese Bildinhalte malerisch mit expressivem Pathos ein und überlässt zugleich dem Betrachter die Optionen, die malerischen Prozesse als Aktion zu verstehen, die zum malerischen Dialog umformuliert wird. Dieses dialogische, materielle und geistige Zusammenwirken verleiht den Bildern eine enorme Aussagekraft retinaler wie emotionaler und intellektueller Natur.

Für Sadedin sind Maler wie El Greco ( 1541 – 1614 ) oder Diego Velasquez ( 1599 – 1660 ) und die anderen Künstler der Renaissance, Paul Gaugin ( 1848 – 1903 ) oder die deutschen Expressionisten und insbesondere Max Beckmann ( 1884 – 1950 ) oder auch Georg Baselitz ( geb. 1938 ) die heutigen Zeitgenossen seiner künstlerischen Arbeit, in der er die informelle Abstraktion und deren Theorien schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts verlassen hat. Sadedin zitiert diese alten Meister nicht, aber er verspürt ihre Nähe und bindet sein eigenes Kunstwollen in diese historischen Erfahrungen mit ein. Er weiß, dass jedes neue Bild am Ende einer langen Tradition der Geschichte der gesamten Malerei steht, und dass es seit der Erfindung der Druckkunst durch Johannes Gutenberg ( um 1397 – 1468 ) und dem Internet es keine Geheimnisse mehr gibt, dass ein Nichtwissen keine Entschuldigung mehr ist, dass die Unschuld des Künstlers schon lange verloren gegangen ist. Die Findungsprozesse sind sehr schwierig geworden. Im Streit zwischen Abstraktion und Realität bezieht er eine eindeutige Stellung. Sadedin weicht seinen eigenen Fragen nicht aus, er sucht malerische Antworten.

In seinen neuen Bildern, die er unter dem Titel „Die Schwelle“ zusammen fasst, befinden sich vier Serien, ein Gedanken- und Gestaltungsprinzip, das er liebt und bevorzugt: Erdlöcher, Maler, Frau mit Schatten, Mit dem Zollstock, Abstand und mit dem Tuch. Die Freunde des Malers erkennen unschwer die Modelle zu diesen Bildern, Mitglieder seiner Familie und Freunde, die aber nicht einfach porträtiert werden, sondern mit Hilfe von allerlei möglichen Fotografien im Bild eine neue Realität gewinnen. Die Fotografien werden nicht auf die Leinwand gedruckt oder hinein collagiert. Sie sind der Auslöser für den Malakt. Sadedin malt die Wirklichkeit nur als sein subjektives, künstlerisches Konstrukt, das er sich in jeweils einem harten Prozess erarbeitet.

Mit dem Thema umreißt er und bezieht er sich selbst einordnend zugleich auf eine lange sprachliche und literarische Tradition, die der Schwelle. Er beschreibt nicht nur die Schwelle des Lebens, des Paradieses, des Jenseits, des Todes, die Schwelle zum Glück, zur Ewigkeit, den Menschen an der Schwelle usw. Wir sprechen von Preisschwellen, Schwellenländern, von auf der Schwelle in die Zukunft, von Schwellenkunde, Schwellenangst, Schwellenphänomenen usw. Die Schwelle verbindet das Hier und das Dahinter, sie ist janusköpfig und zugleich Verteidigung. Wir betreten eine Schwelle, wir stolpern über eine Schwelle, wir überschreiten eine Schwelle und so weiter und so weiter. Immer aber formuliert sie eine transitorische Tätigkeit von einem Ort zum anderen, einer Zeit zur anderen, von einem Bewusstsein zum anderen.

Der Mensch an der Schwelle sucht die Grenzen seiner eigenen Wirklichkeit. Diese Malbewegungen über die Grenzgebiete sind das Thema von Sadedin: Existentielle Bilder in einer Zeit ohne Visionen, voller Fragilität, ohne Aufbruch über die Schwelle hinweg in eine neue Zeit: Malerei als Selbstbestimmung. Walter Benjamin ( 1892 1940 ) hat in seinen Passagen-Werken mit der Passage die Schwelle als Raumbegriff definiert, wovon auch die Bilder des Künstlers zeugen, auch wenn sie die dritte Dimension auf der Leinwand mit meist abstrahierenden Konstruktionen vortäuschen. „ Die Schwelle ist eine Zone. Wandel, Übergang, Fluten liegen im Worte „schwellen“. ( W.B., Passagen – Werke, Frankfurt a.M., 1983, Suhrkamp ,Bd.II,S.618). Paul Celan ( 1920 – 1970 ) nennt einen Gedichtband „Von Schwelle zu Schwelle“ (P.C., Gesammelte Werke, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1983, Bd. I, S.79 – 141 ), ohne dass dieser Begriff auch nur einmal in den Gedichten vorkommt. Die Poesie ist ein Gang von Dunkel zu Dunkel als existentielle Erfahrung.

Sadedin kennt aus seinen biographischen Erfahrungen diese Wege, diese Brüche, diese Zwänge sich neu orientieren zu müssen, kulturell wie ökonomisch, sich integrieren zu müssen ohne sich selbst aufgeben zu dürfen. Seine Bilder sind Malbewegungen über diese Grenzbereiche.

Christoph Ransmayr ( geb. 1954 ) berichtet in seinem Roman „Die letzte Welt“ ( Nördlingen, Greno, 1988 ) in vielen Metaphern über diese Wanderungen und von dem „ Weg ins Innere einer neuen Geschichte … auf dem der Erzähler seine Gestalt und seine Stimme wieder finden und schließlich zurückkehren kann in die Mitte der Welt (S.202 ).

Für Sadedin sind biographische Erinnerungen besonders wichtig. „Erinnerungen sind Querformat“   benennt er eine Serie von Zeichnungen in denen Gegenstände und viele einzelne, selbstporträtartige Köpfe von Texten begleitet werden, die zusammen eine kritische und sehr dialektische Spannung zwischen dem Bildthema und dem Gelesenen aufbaut ( Katalog, Edition Pajam, Bonn 2006 ). In den Texten konnotiert der bildende Künstler sein Kunstwollen sehr eng mit der Literatur der vergangenen Jahrhunderte, mit Philosophie und klassischer Literatur sowie mit vielen eigenen Formulierungen. Erinnerungen sind sperrige Formate. Die Zeichnungen nehmen die neuen Bilder ohne Texte zu dem Thema der Schwelle bereits voraus. Ein Schlüsselblatt dieser Serie spricht von dem blind gewordenen Ödipus: „Als der König Ödipus die Welt nicht mehr sehen konnte, begann er zu zeichnen. Seine Zeichnungen waren für seine Zeit ziemlich modern. Damit die Leute seine Zeichnungen besser verstehen können, begann er Texte zu den Zeichnungen der blinden Zeichner zu schreiben. Als er später trotz seiner Blindheit gute realistische Zeichnungen machen konnte, wurden seine Texte ihm zum Verhängnis.“

In einem handgeschriebenen Manuskript vom Juli 2013 beschreibt Sadedin die Freiheit durch die motivische Verwendung von Fotos, das Wissen von der Tradition der Malerei, von der äußeren Realität, die zugleich beruhigend und bedrohend ist. Vielleicht deshalb nutzt er seinen künstlerischen Ralismus nicht zur Verherrlichung oder Augentäuschung, sondern er nutzt ihn als kritische Methode. Und am Ende seines Textes schreibt er: „Also das Dargestellte stört die Malerei und umgekehrt. Die Darstellung des gestörten Verhältnisses zwischen Malerei und Motiv ist die eigentliche Anregung und Motivation zur Kunst. An dieser Grenze bin ich bei mir.“


 

Midnight Interview  |  Jette Jertz im Gespräch mit Masoud Sadedin, 2014

Jette: In your text about paintings the concept of reality repeatedly emerges. You say that reality is both reassuring and threatening. What do you mean by that?

Masoud: It is reassuring that we have a past to which we can rely. Furthermore, we all have this in common. The fact that I share reality with the community is also soothing for me. It is threatening that reality partly separates us from our true needs and wishes. We also feel this threat in the present day.

Jette: What does that have to do with painting?

Masoud: My idea is that paintings should definitely deal with reality and art in general is not completely disconnected from reality. I think that reality gives art the right impulse. It opens new opportunities.

Jette: To what extent is this idea actually implemented in your painting? Is this wishful thinking or does your work really deal with real life?

Masoud: I cannot judge about that. I can only say that I am looking for this reference to reality because I believe that art and life are not two different things.

Jette: You are evading. What relation do your paintings have to actual life?

Masoud: Well, I have no intention to illustrate reality. I am seeking for a narrative form which gives an idea of the mood of reality. When a young man holding a folding metre stick is displayed, we can assume that such a scene rarely happens in reality. But the display of it is a poetic density of life’s contents for me. With poetic density I do not mean poetry itself, but I mean room for interpretation.

Jette: Which role does the viewer have in this context?

Masoud: Since the viewer and I have common experiences, I want to know if I can find a way to address the intuition of the viewer, and not only his mind. This is exactly what I also feel when I am painting.

Jette: How do you mean that? Are you looking for a formal way through painting in order to share common realities with the viewer? This would also correspond to a documentation of contemporary life issues.

Masoud: When I speak of a conscious intention, then it is not true. But I think that is exactly what happens, it results into common experience. I share my perspective of reality – in a condensed form – with the viewer. The reference to the time in which I live is natural for me. This creates a living connection between painting and my own life.

Jette: Yet it sounds to me as if the connection between painting and life was natural. You are talking about life itself here. And when I read your text about paintings, I actually read thoughts of an artist on his paintings. The connection to life is not obvious, is it?

Masoud: painting is a kind of reflection on existence for me. Of course, that does not happen by the use of conceptual language, as it separates the wholeness of our perception. When I think in pictures or shapes, I immediately have an idea of the whole. The images and forms have a direct connection with intuition for me, and that is why I can see the connection between life and paintings.

Jette: The answer is still common. Through many discussions about art you actually stated that the separation between art and life is the greatest challenge for you.

Masoud: Of course, it is still the case. I have this kind of challenge with every painting. Actually, it is much easier said than finding the kind of connection during the painting process. I mean the compressed form, which gives an idea of the mood of reality, and usually I am dissatisfied at the end. Doubt, irony, play, opposition and especially the influence of the painting itself always play a role. And when I am in the process of painting, I make my decisions subconsciously.

Jette: Now I have the feeling that this is an artificial separation between painting and life; the dissatisfaction of not achieving the connection between the two poles is your actual motivation to paint.

Masoud: The overcoming of this contradiction is a challenge. This is a stress field in which I find myself as a painter. The separation mainly takes place on the intellectual level. At the same time, painting always remains a mysterious act. Ultimately, it is my intention that the image – although it corresponds to my intuition – surprises me.

Jette: Do you feel joy while you are painting?

Masoud: It is known that I have a lot of fun and enjoyment while painting. Of course, the painting process is also acompanied by problems and crises that are unpleasant. In my serious pictures, wit and irony play a major role, although it is not always visible in an obvious way.

Jette: So what actually happens when you walk into your studio? Are there certain rituals?

Masoud: First, I have a tea, then I stay in front of the white canvas or sit in front of an image already begun. This can sometimes take half an hour or even an hour before the dialogue with the canvas begins. Sometimes, when I am not clear with the picture, distracted or not properly motivated, I eat some dates, drink some more tea to pass time. At times I read or listen to the radio until the canvas attracts me again. In general, if things go well, I will stay long in front of the canvas and go on. If things go bad, I cannot separate myself from the screen until I have the solution. Then I do do not even get to drink some tea.

Jette: Do you regularly go to the studio?

Masoud: Continuity is very important for me because I am looking for a familiarity with the image. I need some kind of intimacy. Regularity helps me to match my mood with the image. I Seite 3 von 4would go every day if I could, and I usually do that. I am a hardworking painter.

Jette: What makes you paint so much? Is it only the above­mentioned description of the relationship between life and art, or are there other motivations?

Masoud: In my youth I was motivated by the idea to become a great artist. I had my role models, I wanted to be like them. Later on, I think I was addicted to painting. Over time I have discovered that this addiction is more of a desire to understand the meaning of life, or maybe I wanted to justify my addiction with this idea.

Jette: Does your art work make you different from others, is it some kind of arrogance, or a kind of escape?

Masoud: Escape from what?

Jette: I hoped to hear that from you. I have the impression that you are looking for something in the studio that you do not find outside in real life. At the same time your desire for legitimation of your passion appears as if you had to justify or apologize for it.

Masoud: I might try to compensate my complexes through art, just like many other artists. As I said, it is very hard for me to come to terms with reality. In this sense painting has reassured me. I have a feeling that I can be what I really am, and can also determine the direction. A painter may occur as a ruler, give colours and shapes certain commands or play with them like a child.

Jette: And outside the studio you are not able to be what you really are because you cannot always determine?

Masoud: Not necessarily because of the determining, but in the community, I am subject to the standards. I am conditioned. I take a role. I am a part of the community. Of course, I strive to be authentic and genuine without losing my individuality in the community. I also want to participate in life and be there for my loved ones. I want to enjoy life with others, Share my experiences and learn from others. Life is the true breeding ground of art, and art gives life the image.

Jette: What is your most emotional experience of your painting? Is there also a relation to the work of another artist?

Masoud: If things go well in an image, I am happy. Then I am excited and motivated. I experience excitation and emotion while viewing pictures of other artists. For example, when I saw an original by Max Beckmann at the Ludwig Museum for the first time, I was totally excited.

Jette: Which other artists were also important for you?

Masoud: Over time, I have preferred different artists. Earlier, I was inspired by modern artists such as De Chirico or Beckmann. Today, temporal proximity is not so important for me anymore. I am interested in painters who achieve an aura of mind in their images. Velasquez, Goya, Manet, Beckmann etc. Marcel Duchamp was and has ever since been a good example to me, although he gave up painting very early. I like his composure and irony.


 

Über das gestörte Verhältnis zwischen Malerei und Motiv  |  Masoud Sadedin, 2014

Wenn ich gefragt werde, erzähle ich etwas, was mir erst später – nach dem Malen als Akt – eingefallen ist. Es sind Gedanken. Malerei ist etwas anderes. Mir geht es beim Malen um die Umsetzung einer gewissen Stimmung, die nicht deutlich definierbar ist. Diese Stimmung entsteht durch die Zusammenführung der malerischen Möglichkeiten und des Motivs.

Die Arbeit beginnt mit Entscheidungen und Absichten; was für Motive, welche Stimmung, etwa die Farbrichtung etc. Da ich mich schon seit der Jugend in meiner Malerei mit Menschen als Motiv beschäftigt habe, suche ich zuerst eine oder mehrere Figuren, die ich aus Fotos entnehme. Es sind eigens inszenierte Fotografien oder Bilder aus Zeitungen, Zeitschriften und Fotobüchern. Wichtig ist, dass ich eine Verbindung oder Anziehung zu den Fotos spüre. Ich glaube, die Fotos, die ich auswähle tragen eine malerische Idee in sich. Manchmal habe ich vorher eine Idee, wofür ich bestimmte Fotos aussuche oder selber fotografiere.

Schon in meiner Kindheit mochte ich es Fotos abzumalen. Später – einige Jahre nach meinem Studium – als ich meiner eigenen expressiven Gestalten überdrüssig war, habe ich bewusst entschieden die Fotos als Vorlage für meine Bilder zu verwenden.

Ich war unzufrieden, dass meine eigenen Kreationen aus irgendwelchen zeichnerischen oder malerischen Gewohnheiten entstanden. Ich glaube, die Begrenztheit des Routinierten und Gewohnten störte mich.

Gegenüber Fotos konnte ich mich für neue malerische Lösungen öffnen. Die Auseinandersetzung mit einem Motiv, das nicht direkt aus meinem Kopf entsprungen ist war und ist die größte Motivation für mich. Dadurch fühle ich mich mit der Realität – ich meine alles, was sich außerhalb von mir befindet – verbunden. Ich brauche es, immer wieder fest zu stellen, dass es eine Realität außerhalb von mir existiert, in der ich mich befinde. Mit anderen Worten fällt es mir schwer, mich mit der Realität abzufinden.

Realität ist zugleich beruhigend und bedrohend. Wichtig ist, Indifferenz zu vermeiden. Da das Malen mit Entscheidungen zu tun hat, bleibe ich dadurch mit dem Jetzt verbunden. Ich bin in dem Moment präsent. Die Geschichte der Malerei, also die Vergangenheit und meine Vorstellung verbinden sich in dem Moment. Ich bin dann in dem Moment automatisiert.

Die Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten – das Gelernte, eigene Erfahrungen und die Geschichte – ist vielfältig. Ich arbeite unter dem Einfluss dieser Gegebenheiten. Sie sind Nährboden für meine Arbeit. Wenn die Arbeit durchsichtig wird, verliert sie an Reiz. Hier setze ich die Dekonstruktion an; eine lebhafte Auseinandersetzung mit dem Bild. Ich verliere danach die Loyalität gegenüber meinen eigenen Entscheidungen.

Am meisten beschäftigt mich aber bei der Gestaltung die Stimmung des Bildes. Ich meine eine Grundstimmung, die mich zum Malen treibt. Sie bringt, je nach Motiv eine andere Erscheinungsform hervor. Die Energie und die Transzendenz, die die Bilder ausstrahlen hat mit dieser Grundstimmung zu tun. Mir geht es um diese transzendentale Stimmung. Ich bevorzuge eine Stimmung, die aus widersprüchlichen Elementen besteht und nicht eindeutig definierbar ist. Damit wird eine geistige Präsenz hervorgerufen, die mich überrascht. Sie liegt in der Farbe, Pinselstriche und Entscheidungs-Wendungen. Sie strahlt natürlich auch aus den Motiven aus, die im Grunde außerhalb der Malerei existieren.

Ich möchte eine Art Konstruktivismus betreiben, der aber emotionsgeladen ist. Konstruktivismus verstehe ich als Konstruktion, die dem Bild Gestaltung gibt, aber auch im Sinne von Konstruktivisten. Mich interessiert die Grenze zwischen geistig-emotionalen und einer entgegengesetzten malerische Konstruktion. Aus diesem Grund ist die menschliche Gestalt mein Hauptthema. Sie hat eine Geschichte, eine Stimmung und sie war in allen Epochen – abgesehen von einer Episode der Moderne – das Hauptmotiv für die Kunst. Ich gehe davon aus, dass trotz des Mal-Aktes, der mehr oder weniger abstrakt verläuft, die emotionale Stimmung des Bildes jedoch von menschlichen Figuren in ihrer jeweiligen Pose beeinflusst wird. Dieser Einfluss, der von Außen, also aus der Realität in die Malerei eingeführt wird, ist für mich ausschlaggebend.

Dreidimensionalität, die Regeln der Anatomie und die Perspektive in der Malerei wurden nicht über Nacht erfunden, aber ich glaube schon, dass Velásquez, Tizian, Caravaggio und viele weitere Meister von einer Art Alchemie berauscht waren. Das spürt man in ihren Bildern.

Obwohl diese Regeln uns heute ziemlich simpel und erklärbar vorkommen mögen, verzaubert mich immer noch der Geist, der mich durch eine Leinwand von Rembrandt, bloß mittels Farbe und Pinselstriche anzieht.

Später empfand Gauguin die Renaissance als skandalös und Dreidimensionalität als Betrug. Die Moderne wollte mit dieser Alchemie nichts zutun haben. Die Entwicklung der flächigen Malerei, Flachheit, reine Form und Rückführung der Malerei und Kunst in ihre Grundelemente bis hin zur weißen Leinwand sind nun eine Geschichte, begleitet von einem spannenden philosophisch-theoretischen Diskurs.

Als ich in den neunziger Jahren an den Nullpunkt dieser linearen Geschichte angelangt war, merkte ich, dass die mit dem Verstand nachvollziehbaren Theorien dieser Geschichte mich nicht mehr zur Kunst führen können.

Seitdem versuche ich heraus zu finden, was die Kunst für mich persönlich bedeutet. Ich muss gestehen, dass dieser Nullpunkt mich immer wieder einholt und diese nihilistische Haltung betrachte ich mittlerweile als einen selbstverständlichen Begleiter. Er ermahnt mich zu Präsenz im Moment und den Empfang der Stimmung dieses Momentes.

Der Nullpunkt ist das Resultat der Gedankenwelt und bestimmten biographischen Abwicklungen. Die Vergangenheit wohnt den Gedanken inne. Gedanken neigen dazu, zu Ende zu kommen, ausschließlich und endgültig zu sein, Nullpunkt zu sein. Das ist es, was ich die Mahnung zu Präsenz nenne, zum Jetzt und zu etwas, was mich in dem Moment bewegt und antreibt; also Alchemie des Malens, Verwandlung einer Stimmung zur Form. Die Energie und die Ausstrahlung dieser Form, die vom Leben und der Kunst geprägt ist, ist wiederum mein Antrieb zu Kunst.

Jede Form von Ausschließlichkeit gerät durch die Vergänglichkeit in die Absurdität. Gefühle und Emotionen (körperliche und geistige Erfahrung) gehören jedoch zu unserem substanziellen menschlichen Dasein. Ich glaube, ich neige dazu, emotional und mit malerischem Genuss die Absurdität darzustellen. Es ist eine poetische Haltung, aus der ich etwas unerwartetes gestalten möchte.

Meine Bilder wirken melancholisch. Es sind jedoch darin Elemente integriert, die wie Stör- oder Stolperelemente agieren. Es ist nicht möglich das Ernstgemeinte ausschließlich ernst zu malen, wie dies z.B. bei den Expressionisten und Realisten der Fall war und immer noch ist. Mir ist es nicht möglich gegenüber eigenen Entscheidungen bis zum Schluss ernst zu bleiben. Ein Widerspruch begleitet mich bei jeder Entscheidung. Daher die Skepsis, wenn sich die Bilder dem Ende zuneigen.

In Begleitung von unsinnigen und absurden Elementen, widersprüchlichen Szenen und Stolpersteinen bleiben die Bilder offen, irgendwie unvollendet. Selbst bei anfänglichem Ernst, mit der ich meine Figuren und Szenen aufbaue, spüre ich eine gewisse Ironie und Humor in mir, die mal deutlich, mal unauffällig durchscheinen.

Ich beginne meist mit einer konstruktiven Haltung, aber bald setzt sich die Verführung der Dekonstruktion ein; wenn ich nämlich mit Genuss etwas übermale, das ich vorher mit Überzeugung hingemalt habe oder wenn ich Formen verwerfe, komische Zustände und Situationen, die beinahe eine banale Realität darstellen aber sich bald als irreal und unmöglich entpuppen. Mit wenigen Pinselstrichen wird der Realität der Boden entzogen, etwas, was nur beim Malen und nur im malerischen Prozess möglich ist. Das Dargestellte stört also die Malerei und umgekehrt. Die Darstellung des gestörten Verhältnisses zwischen Malerei und Motiv ist die eigentliche Anregung und meine Motivation zur Kunst. An dieser Grenze bin ich nah bei mir. Da brauche ich nicht über meine Malerei zu reden, im Grunde kann ich das auch nicht.